Matsch und Dreck und Nebel, kein Gas und kein Strom, miese Laune und eine gewisse Novembermelancholie.
Tja, die Muttersprache, ich vermisse ihre direkten Ausdrucksmöglichkeiten in meinem Blog und poste nun einige Gedanken auf Deutsch. Ist das Leben in Georgien einem Leben in Deutschland vorzuziehen ? Oft fragen mich ganz baff die Tbilissier Taxifahrer: "Warum wohnst Du denn nicht in Deiner Heimat ?" Argumente, wie: "Schaschlyk, Wein, Berge, Liebe zu meiner Familie" lassen sie gegenüber der Hauptfrage des gesicherten stabilen Einkommens in Deutschland nur mit einem Stirnrunzeln gelten. Die zweite Frage zielt immer darauf, ob ich denn ein "echter" Deutscher sei. Hast Du Geschwister, eine Wohnung in Deutschland ? Ja, nein. Das Misstrauen läßt sich nicht leicht beschwichtigen. Warum sprichst Du so gut Russisch ? Ah, aus Ostdeutschland, bijvschij GDR?, aha, also kein echter Deutscher, also einer von uns, ja, wir verstehen... Was soll's, sie sind ganz nett, die Tbilissier Taxifahrer, ihr Horizont leider begrenzt, aber sollte ich stattdessen mal versuchen einen deutschen Taxisten über Georgien zu löchern ??
Es macht mir nichts mehr aus, wo ich meine "russische" (köstliche) Butter kaufe, meine Tomaten "georgische", unser Brot "aus Tbilissi", meine Jogginghosen (China), solange ich mit dem Internet verkabelt bin. Ich erwarb soeben den neuesten Band von Neil Stephenson mit einem Klick bei Amazon, nur liefern lassen kann ich den noch nicht nach Awtschala, sondern das geht gezwungenermaßen wie bisher nach Berlin. Wer macht Ebay, Amazon und Paypal für Georgien funktionstüchtig ?
Nächtliche Diskussionen zur Kunst werden mit Belgrad, London, Miami und Lissabon geführt. Bin ich noch ein Deutscher in Georgien oder doch ein Besessener in der internationalen Bloggerwüste ? Wo sind meine deutschen Freunde verschollen in ihren täglichen Verpflichtungen, Ehescheidungen, Broterwerben ? Ich bin enttäuscht. Maßlos. Flüche könnte ich viele aufsagen, wie beim täglichen Autofahren durch das
nervige Tbilissi. Oh, diese Dummheiten, oh dieser Wahnsinn. Oh, dieses Land. Diese Genies. Aber was sind unsere georgischen Probleme gegen die Probleme Deutschlands ?
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Zurab Tseretelis monumentale Arbeiten sind äußerst charmant und angenehm "georgisch" größenwahnsinnig. Ein echter Postmoderner. Bewundernswert seine leichthändige Umgestaltung der Skulptur des Kolumbus in das Monument Peter den Großen, jetzt in Petersburg.
Heute sah ich den frischen Bauzaun um den Freiheitsplatz, auf dem seine neue Skulptur des Heiligen Georgs errichtet werden wird. Für dieses Werk an diesem prominten Platz kann ich mir derzeit keinen geeigneteren georgischen Künstler vorstellen, jemand der ein Vakuum zu füllen versteht und verschiedenste Erwartungen an diesen wichtigen Ort befriedigen könnte. Online müsste Zurab Tsereteli seine Werke eigentlich noch viel besser zeigen, erstaunlich bei der riesigen Auswahl an talentierten russischen und georgischen Webdesignern.
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Ich vermisse unseren kleinen Kater Knuti, wahrscheinlich von gelangweilten nachbarschaftlichen Rowdies erwürgt. Ich vermisse unsere Schäferhündin Alaia, läufig mit einigen Liebhabern in Kachetien entschwunden. Ok, wir werden sie suchen in Schiraki, eine große Familie hat ein großes Herz und scheut keine Mühen...
Nachbar Duru hat unser neues Pferd Merzchala tagelang umsorgt und mit dem Heu seiner Kuh Lamasa beköstigt. Wir haben es gestern mit einem Laster in seine neue Heimat nach Kachetien gebracht. Es bleibt die Angst, dass es von Pferdedieben gestohlen werden könnte, fix über den Pass nach Dagestan oder über die grüne Grenze nach Aserbaidschan. Gute Pferde sind selten und schwer zu übersehen. Sollte ein Brandzeichen vorbeugen können ? Unwahrscheinlich.
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Mitten in Georgien habe ich eine unendliche Sehnsucht nach Georgien. Ich trinke selten allein. Aber jetzt ein, zwei Gläser Eau de Vie, Mirabelle, einfach wunderbar. Prost !
PS
Kürzlich entdeckte ich einen sehr charmanten Blog einer sehr charmanten Deutschen. Hier ist der Link: Passantin
Zurab Tsereteli, Peter the Great, St.Petersburg, Thanks to Lindsay http://www.lindsayfincher.com/
2 comments:
Manchmal, ja manchmal hat man wirklich Sehnsucht nach einem herberen Bier, einer guten Salami, einem richtigen Brot,... hier in Mexico.
Vor 11 Jahren war ich einmal in Georgien, um für meine Diplomarbeit Recherchen zu betreiben (Ergebnis: Georgien-Reisekarte 1:800.000; bei ERKA erschienen) - und ich erzähle immer wieder von den gastfreundlichsten Menschen der Welt, die stolz sind auf ihre Geschichte, aber politisch so naiv, dass sie alle Schuld an ihrer wirtschaftlichen Misere auf die Russen schieben (jedenfalls war's 1994 so).
Liebend gerne würde ich wieder einmal frischen georgischen Wein in der ursprünglichen Landschaft und mit Georgiern trinken; auch wenn der tamada mir ständig neue Trinksprüche abverlangen sollte.
Leider ein wenig schwer, wenn man auf der anderen Seite der Welt ist...
Hallo Roland,
ja, die Reisekarte von Erka ist bei Touristen sehr beliebt, das war ein Volltreffer ! Mexiko muss doch toll sein. Hoffentlich schaffst Du es mal wieder nach Georgien, seit 1994 hat sich schon vieles und auch zum Positiven verändert. Ihr habt vielleicht keinen Dsha-Dsha, aber dafür ... Tequila ;-)
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